Friedensnobelpreis 2001: Vereinte Nationen — Kofi Annan

Friedensnobelpreis 2001: Vereinte Nationen — Kofi Annan
Friedensnobelpreis 2001: Vereinte Nationen — Kofi Annan
 
Die Preisträger wurden für ihre Bemühungen um eine gerechtere und friedlichere Welt ausgezeichnet.
 
 Biografien
 
Vereinte Nationen, United Nations (UN, auch UNO), gegr. San Francisco (USA) 26. 6. 1945, Weltorganisation, der heute fast alle Staaten der Erde angehören, und deren wichtigstes Ziel nach Artikel 1 der UN-Charta die Erhaltung des Friedens und der internationalen Sicherheit ist; Sitz: New York (USA) mit UN-Büros in Genf und Wien.
 
Kofi Annan, * Kumasi (Ghana) 8. 4. 1938, Wirtschaftswissenschaftler und UN-Diplomat, 1962 nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Ghana, den USA und der Schweiz Eintritt in die Dienste der UN, seither mit kurzen Unterbrechungen in zahlreichen führenden Ämtern der Organisation tätig; 1996 Wahl zum UN-Generalsekretär (Amtsantritt 1. 1. 1997), 2001 Wiederwahl für eine zweite Amtszeit (2002—2006).
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Im 20. Jahrhundert wurden zwei Staatenvereinigungen zur Erhaltung des Weltfriedens gegründet: nach dem Ersten Weltkrieg der Völkerbund und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs die Organisation der Vereinten Nationen. Der Völkerbund wurde 1946 aufgelöst; den Vereinten Nationen gehören dagegen heute mit Ausnahme von Sahara, der Schweiz, Republik China (Taiwan) und Vatikanstadt alle Staaten der Welt an; die Organisation setzt sich aus einer Vielzahl von rechtlich teilweise selbstständigen Sonderorganisationen mit insgesamt über 50000 Beschäftigten zusammen, die in fast allen Politikbereichen, von der Währungs- bis zur Gesundheitspolitik, die globale Zusammenarbeit organisieren. Über mehr als 50 Jahre hinweg konnten die UN verhindern, dass sich die zahlreichen während dieser Zeit ausgefochtenen regionalen Kriege zu einem dritten globalen Konflikt entwickelten, unter anderem durch dutzende von Einsätzen der UN-Friedenstruppen.
 
Diese »Blauhelme« der Vereinten Nationen sind dem Sicherheitsrat unterstellt, dem die UN-Charta die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens zuweist und der deshalb als bedeutendstes Organ mit der größten politischen Macht ausgestattet ist. Der Sicherheitsrat beauftragt den von der Generalversammlung jeweils für fünf Jahre ernannten Generalsekretär mit der Vorbereitung und Durchführung friedenssichernder Maßnahmen; als höchster Beamter der UN ist der Generalsekretär darüber hinaus verpflichtet, von sich aus zur Entspannung politischer Konflikte beizutragen.
 
 Der Traum von einer besseren Welt
 
Zusätzlich zur Wahrung des Weltfriedens haben sich die Vereinten Nationen viele andere Ziele gesetzt, etwa die Einhaltung der Menschenrechte zu fördern, den Drogenhandel und die Umweltverschmutzung zu bekämpfen, Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen zu ahnden, Mütter und Kinder in den ärmsten Ländern der Welt zu unterstützen, den Millionen von Flüchtlingen und Opfern verheerender Naturkatastrophen humanitäre Hilfe zu leisten.
 
Die Beiträge, die einzelne UN-Organe oder Mitarbeiter dazu leisteten, den Traum von einer besseren Welt zu verwirklichen, wurden bereits mehrfach mit dem Friedensnobelpreis gewürdigt, wie die Hilfeleistungen des UNO-Hochkommissariats für Flüchtlinge, die Entwicklungshilfe der UNICEF in allen Teilen der Welt oder die Arbeit Dag Hammarskjölds, von 1953 bis 1961 Generalsekretär der Vereinten Nationen. Für die Auszeichnung der Weltorganisation als Ganzes entschieden sich die Mitglieder des Nobelpreiskomitees allerdings erst ein Jahrhundert nach Stiftung des Preises. Zusammen mit den Vereinten Nationen erhielt Kofi Annan den Preis, der UN-Generalsekretär, der Ende 1996 als erster Schwarzafrikaner in dieses führende Amt gewählt wurde.
 
 Ein Leben im Dienste der Völkergemeinschaft
 
Zu der Zeit, als der dunkelhäutige Afrikaner mit den grauen Haaren zum Generalsekretär ernannt wurde, waren die Vereinten Nationen in einem denkbar schlechten Zustand: Von Finanznöten schon immer geplagt, stand die Weltorganisation jetzt, als die UN-Friedenstruppen binnen eines Jahrzehnts über 50 Missionen durchführen mussten, kurz vor der Zahlungsunfähigkeit; während des Kalten Kriegs hatten die im Sicherheitsrat als ständige Mitglieder vertretenen Großmächte die Beiträge der Vereinten Nationen zur Entspannung noch geschätzt und UN-Friedensmissionen unterstützt, nun nahmen sie die Friedenssicherung oft mit dem massiven Einsatz militärischer Mittel lieber in die eigenen Hände. Geradezu katastrophalen Schaden erlitt das Image der Vereinten Nationen, als »Blauhelme« Mitte der 1990er-Jahre die Völkermorde in Ruanda und im früheren Jugoslawien nicht verhindern konnten.
 
Kofi Annan trug eben zu dieser Zeit als Untergeneralsekretär Verantwortung für die Friedensmissionen, und als Mann der »leisen, aber kraftvollen Zwischentöne« hat er sich für die Vorfälle entschuldigt und nach seiner Wahl zum Generalsekretär für die rückhaltlose Aufklärung eingesetzt. Die Wahl fand, wie so häufig, unter erheblichem Druck der USA, Frankreichs und anderer Mitglieder des Sicherheitsrats statt. Für den Ghanaer, der sein Heimatland schon als junger Mann verlassen hat, sprach damals wohl vor allem, dass er so gut wie kein anderer Kandidat das unübersichtliche UN-System überblickt, dessen Stärken und Schwächen kennt. Von kurzen Unterbrechungen abgesehen, hat Kofi Annan seine gesamte berufliche Laufbahn im Dienst der Vereinten Nationen verbracht, war unter anderem in der Weltgesundheitsorganisation, im UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge und in der Finanzverwaltung tätig. Die früheren Generalsekretäre waren meist vom Sicherheitsrat nach geopolitischem Proporz auserkorene Politiker gewesen, 1996 wählte die Vollversammlung der Vereinten Nationen erstmals einen UN-Beamten in dieses Amt.
 
 Neue Ideen und alte Probleme
 
In den ersten Jahren seiner Amtszeit hat es Kofi Annan verstanden, in mehreren Krisenherden der Welt die Spannungen zu verringern, etwa in Osttimor, im Nahen Osten oder in Westafrika. Zu seinen größten Erfolgen gehörten die 1998 beschlossene Einrichtung eines ständigen internationalen Strafgerichtshofs, der Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden soll, die Berichte über die Massaker in Bosnien und Ruanda, welche die Rolle der Vereinten Nationen in höchst selbstkritischer Offenheit darstellen, und die Veröffentlichung des so genannten Millenniumsberichts vom April 2000, in dem die Rolle der Vereinten Nationen im 21. Jahrhundert umrissen wird. Neben der Neubestimmung der Ziele und Aufgaben der Weltorganisation nach Ende des Kalten Krieges setzt sich der siebte Generalsekretär auch für eine Erweiterung der Zahl der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats ein, um die politische Stellung der Vereinten Nationen zu stärken und fordert zudem bei Einsätzen der UN-Friedenstruppen ein »robustes Mandat«, also das Recht, die Friedensziele notfalls auch mit Gewalt durchzusetzen.
 
Gerade bei der Durchführung von Friedensmissionen gehen jedoch die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats seit einigen Jahren verstärkt eigene Wege außerhalb der UN-Gremien, bestimmen ihre gemeinsamen Ziele etwa auf G8-Gipfeltreffen und führen Militäraktionen auch ohne das Mandat der Vereinten Nationen durch, wie im Kampf gegen den internationalen Terrorismus nach den Anschlägen gegen die USA am 11. September 2001. Dass sich das norwegische Nobelpreiskomitee einen Monat nach diesen Anschlägen unter den mehr als 100 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagenen Personen und Institutionen für die Vereinten Nationen und ihren Generalsekretär entschieden hat, ist sicherlich als Versuch zu verstehen, den geschwundenen Einfluss der Weltorganisation zu stärken.
 
P. Göbel

Universal-Lexikon. 2012.

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